Motive, Motivation und Volition

„Motive sind zentral für alle Maßnahmen zur Leistungssteigerung, Identifikation und Fluktuationsreduzierung.“

Unternehmensberatung Motive

Führungspsychologie: Motive, Motivation und Volition

Die Rolle der Motive für Mitarbeiterbindung, Engagement und Kündigung

Führungspsychologie: Motive, Motivation und Volition
Führungspsychologie: Motive, Motivation und Volition

Wer die Motive seiner Mitarbeiter nicht kennt, kann sie auch nicht motivieren. Besser gesagt: zu nichts. Nicht zu Engagement, nicht zu hoher Arbeitsmenge und -qualität, nicht zu Identifikation und nicht zum Verbleib im Unternehmen. Die Kenntnis der Motive ist enorm entscheidend für erfolgreiches Führungsverhalten.

Mitarbeitermotive kennen

Soweit die Theorie. Und die Praxis? Hand aufs Herz: Können Sie die Motive Ihrer Mitarbeiter genau benennen? Kaum ein Vorgesetzter kennt die Motive seiner Mitarbeiter wirklich genau. Wie sehr Ihnen diese in der tagtäglichen Führungsarbeit helfen können, erfahren Sie in diesem Artikel.

Motive bilden als individuell unterschiedlich ausgeprägte, recht stabile Persönlichkeitsmerkmale die Basis für jedes Verhalten. Ja, jedes. Denn bei der Motivation geht es um das „Wollen“: Ob wir Menschen uns engagieren wollen oder Arbeit vermeiden, ob wir auf Qualität achten wollen oder Reklamationen in Kauf nehmen, ob wir Kunden beglücken wollen oder deren Abwanderung provozieren, ob wir Termine einhalten wollen oder eben später fertig werden, ob wir zur Arbeit erscheinen oder uns einen gelben Urlaubsschein besorgen, oder wir kündigen oder im Unternehmen bleiben.


Mit der Kenntnis der Mitarbeitermotive besitzen wir als Führungskräfte den Schlüssel zum Verständnis der Verhaltensweisen unserer Unterstellten. Sei es Kündigen oder Nicht-Kündigen, sei es Engagement oder Arbeitsvermeidung, sei es Zuverlässigkeit oder Absentismus: Das Verhalten der Mitarbeiter ist letzten Endes das, auf was wir Führungskräfte einen positiven Einfluss nehmen möchten.

Mitarbeitermotive zentral

Mit dem Thema „Motive“ verbindet sich eine für uns Führungskräfte wertvolle Erkenntnis: Jeder Mensch verfügt über eine ihm eigene Motiv-Konstellation, die ihn weitgehend unbewusst bei der Bestimmung der jeweils für ihn selbst als optimal empfundenen Handlungsweise – zu der auch Nichtstun zählen kann – leitet. Uns Führungskräften stellt sich also weniger die Frage, ob ein Mensch motiviert ist, sondern vor allem, was – also welches Motiv – ihn zu seinen Verhaltensweisen veranlasst. Denn wir Menschen sind alle motiviert. Wir unterscheiden uns darin, was uns motiviert.

Das jeweilige Motiv zu erkennen, ist zugegebenermaßen keineswegs trivial: Die Motive liegen in einem für uns unsichtbaren Bereich. Oftmals vermag nicht einmal die betreffende Person hierüber umfassend Auskunft zu erteilen, was sie zu einer bestimmten Handlung bewegt hat. Denn die Wirkungsketten laufen überwiegend im Unbewussten ab. Wir Führungskräfte sind darauf angewiesen, selbst möglichst zutreffende Rückschlüsse aus dem beobachtbaren Verhalten zu ziehen. Wie Sie das bewerkstelligen, erfahren Sie im Verlaufe dieses Artikels.

Motiv, Motivation, Motivieren

Jeder Mensch ist also motiviert – jedoch nicht zwingend dazu, die von uns Vorgesetzten geforderten Leistungen oder andere gewünschte Verhaltensweisen zu erbringen. Was in Führungsseminaren stets mit Motivation bezeichnet wird, stellt keine Einflussnahme auf die Motiv-Konstellation des Mitarbeiters dar. Auf die Motiv-Lage haben wir nicht wirklich einen Einfluss.

Motivation bzw. Motivieren bezeichnet lediglich einen Versuch, die bestehende innere Motiv-Konstellation eines Mitarbeiters mit der von uns gewünschten Tätigkeit zu verbinden.

Vom Motiv zur Motivation

Wie kommt es bei dem Menschen von dem Motiv zur Motivation? Und wie dann zu dem jeweiligen Verhalten? Die Motiv-Verhalten-Prozesskette in kurzen Worten:

  1. Bei einer internen oder externen Anregung erwachsen aus der individuellen Motiv-Konstellation des Menschen heraus einzelne Bedürfnisse. Gefühle zeigen dem Menschen an, ob diese Bedürfnisse aktuell ausreichend erfüllt sind – oder nicht.
  2. Sind sie es nicht, kommen Emotionen auf den Plan und sorgen dafür, dass Menschen etwas tun. Die Bedürfnisse drängen nach Befriedigung und erzeugen die Motivation zu entsprechendem Verhalten.
  3. Emotionen begleiten den Menschen ab diesem Punkt bis zum Ziel, dem Ende der Prozesskette: Die Erwartung eines bestimmten Ergebnisses, wofür wiederum die Kognitionen verantwortlich sind, weckt positive Emotionen. Und schließlich, wenn der Mensch sein Ziel erreicht hat, erwachsen Emotionen daraus, dass der Mensch seine Bedürfnisse befriedigt hat.

Beispiel für eine Motiv-Verhalten-Kette, Version A

Paul erwartet für den Abend Besuch von Freunden und Bekannten. Er wirft daher einen prüfenden Blick in die Hausbar. Zehn Minuten später schwingt sich Paul in sein Auto, um noch schnell zu einem Getränkemarkt zu fahren.

Welche Prozesse liefen ab, was löste Pauls Verhalten aus? Auf der Motivebene könnte das Anschlussmotiv verantwortlich sein, welches als eines der wichtigsten sozialen Motive gilt. Mit einem Motiv-Begriff stets verbunden ist ein Komponenten-Paar, welches die so genannten Motivziele beschreibt. Beim Anschlussmotiv sind das die Motivziele „Hoffnung auf Anschluss“ und „Angst vor Zurückweisung“. Diese leiten unser Verhalten: In diesem Beispiel hegt Paul, gesteuert vom Anschlussmotiv, die Hoffnung darauf, am Abend neue Kontakte zu knüpfen, sowie bestehende Freundschaften aufrechtzuerhalten bzw. zu vertiefen. Paul will keinesfalls riskieren, dass ihn die Truppe gegen 20 Uhr alleine auf dem Sofa zurücklässt, um ihren Durst in der Gaststätte gegenüber zu löschen.

Hieraus resultieren emotionale Prozesse. Pauls Bedürfnis nach sozialen Kontakten, nach Gesprächen und nach einem Beisammensein mit Vertrauten strebt nach Erfüllung. Sein begleitendes Gefühl ist, dass er solche Abende in der letzten Zeit sehr vermisst hat. Auch kognitive Prozesse setzten ein: Da die Freunde und er bei dem letzten gemeinsamen Urlaub in Spanien immer gern Angel d’Or getrunken haben, will Paul als Reminiszenz auch hiervon einige Flaschen erwerben. Pauls Erwartung ist, dass dies eines der Highlights des Abends wird. Er hat eine hohe Motivation, diesen Orangenlikör und ausreichend Pils zu kaufen, da dies alle gern trinken. Obgleich es wie aus Eimern regnet und er noch vier Kisten Kölsch zuhause hat, zieht Paul seine Jacke an und fährt los.

Fast alle Begriffe, die in der Motivationspsychologie heute von zentraler Bedeutung sind, haben wir in diesem Beispiel gestreift:

  • Anregungen, Reize, Anreize
  • Motive
  • Motivziele
  • Bedürfnisse
  • Emotionen
  • Gefühle
  • Kognitionen
  • Erwartungen
  • Motivation
  • Verhalten

Das Verhalten des Mitarbeiters, sei es hohes Engagement für das Unternehmen oder das Bemühen um einen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber, steht am Ende einer personinternen, emotional und kognitiv begleiteten Prozesskette. Wenn wir die Zusammenhänge kennen, können wir hierauf Einfluss nehmen.

Es menschelt

Vorab: Wir haben es beim Thema Mensch mit zahlreichen Unschärfen, Unsicherheiten und Unwägbarkeiten zu tun. Eindeutige Ursache-Wirkungs-Ketten, mit denen mancher Managementguru um die Häuser zieht, suggerieren eine Simplizität, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. „Jeder Jeck ist anders“ sagt der Kölner Volksmund zu Recht. Daher ist der Anspruch dieses Artikels keinesfalls, Ihnen ein Klavier mit nur einer Taste zu verkaufen. Sie sollen alle Tasten kennenlernen und in der Lage sein, die gesamte führungspsychologische Klaviatur zu spielen.

Sie werden daher hier so kurz und knapp wie möglich kennenlernen:
1. Tiefenpsychologie
2. Behaviorismus
3. Humanismus
4. Kognitive Prozesstheorien
5. Volition

Direkt dazu erhalten Sie jeweils Beispiele aus der Praxis, unter denen Sie die passendsten auswählen und in die Umsetzung bringen können.

1. „Motive“ in der Tiefenpsychologie: Triebe

Sigmund Freud, Begründer der tiefenpsychologischen Schule bzw. der Psychoanalyse, bezeichnet die Antriebsfaktoren nicht als Motive, sondern als Triebe. Er fasst diese orientiert an deren Wirkrichtung zusammen. Seine „klassische Triebtheorie“ geht von einem Antagonismus zwischen zwei Haupttrieben aus:

1. Libido
2. Aggression

Aus den Trieben entsteht Motivation zu Handlungen. An diesem Prozess sind laut Freud drei Instanzen beteiligt: Das Es, das Ich und das Über-Ich. Das Es ist die psychische Repräsentanz der Triebe und sendet bei vorliegendem Mangel deutliche Signale in Form von Bedürfnissen an das Ich. Das Ich kanalisiert über einen Abgleich der Bedürfnisse mit den im Über-Ich präsenten Normen und Werten die aus dem Es kommende Triebenergie.

Das Ich bewerkstelligt dies, indem es Objekte (Personen, Gegenstände, Aufgaben, Unternehmen etc.) hiermit besetzt und auf diese Weise für eine den äußeren Umständen angepasste Äußerung der Triebenergie und Befriedigung der Bedürfnisse sorgt.

Vom Trieb zum Verhalten

Ein Beispiel: Das – nach Ansicht der Psychoanalyse nicht gerade selten auftretende – libidinöse Bedürfnis Ihres Es, an einer Brust zu saugen, wird von dem Ich beispielsweise auf eine Zigarette oder Bleistiftkauen übertragen. Denn das Über-Ich hatte zum Glück gerade noch rechtzeitig interveniert, bevor Sie sich an dem nächstgelegenen Dekolleté zu schaffen machen konnten.

Falls Ihnen diese Erklärung für Verhalten abstrus vorkommt, stört das einen eingefleischten Psychoanalytiker wenig: Diese Prozesse spielen sich schließlich unbewusst ab.

Praktische Anwendung der Tiefenpsychologie

In dieser Sichtweise entsteht beispielsweise hohe Identifikation, geringe Fluktuationsneigung und starkes Engagement, indem der Mensch libidinöse Energie – für die ansonsten keine geeigneten und willigen Objekte (Eltern, Partner, Kinder etc.) zur Verfügung stehen – auf die Organisation bzw. die Menschen im Unternehmen überträgt. Ein Beispiel hierfür ist die Sekretärin, deren mütterlich-libidinöse Bedürfnisse aufgrund fehlender oder nicht mehr im Hause befindlicher Kinder unbefriedigt bleiben. Sie projiziert diese Triebenergien auf ein geeignetes Objekt, beispielsweise ihren jüngeren Chef, für den sie sich aufopfert und den sie umfassend „bemuttert“.

Eine besonders hohe Neigung zu solch einer intensiven Vorgesetztenbindung oder auch zu starker Identifikation mit dem Unternehmen – ausgedrückt durch Bindung an den Firmengründer, den Eigentümer oder an die zentrale Figur der Unternehmensleitung – entsteht in der Vorstellungswelt der Psychoanalyse unter anderem dann, wenn es bei der kindlichen Entwicklung einem Vater als Triebbesetzungsobjekt oder, vor allem bei Männern, als Identifikationsfigur, ermangelte. Auch fehlende familiäre Beziehungen bei der individuellen Entwicklung können zu besonders hoher Identifikation mit dem Unternehmen beitragen. Oder auch zu starken Team- und Kollegenbeziehungen.

Projektion und Übertragung

Fehlende Bindungen im privaten Bereich und damit fehlende Möglichkeiten, Zuneigung zu geben und zu erhalten, können zu einer Übertragung der Energien in den Bereich der Arbeitswelt führen. Dies deckt sich tatsächlich in vielen Fällen mit der allgemeinen Lebenserfahrung. Beispiel: Menschen, deren Beziehung in die Brüche gegangen ist oder die eine Beziehung führen, die auf eine andere Art keine Befriedigung von bedeutsamen Bedürfnissen mehr verspricht, knien sich häufig besonders engagiert oder gar exzessiv in ihre Arbeit.

2. „Motive“ im Behaviorismus

2a Konditionierung: Reiz und Reaktion

Der Behaviorismus verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz. Verhalten wird als Reaktion auf mit Emotionen besetzte Reize aufgefasst. Auf Iwan P. Pawlow geht das Prinzip der klassischen Konditionierung zurück: Ein zunächst neutraler Reiz wird die gleiche Reaktion und auch die gleiche Emotion auslösen wie ein natürlicher oder angeborener Reiz, wenn die beiden Reize wiederholt gekoppelt werden. Der neutrale Reiz wird damit zu einem nicht-neutralen, demnach mit Emotionen besetzten Reiz.

Sein Experiment, bei dem der Speichelfluss eines Hundes bereits durch das Ertönen einer Glocke in Gang gesetzt wird, nachdem diese mehrmals bei der Futterausgabe geklingelt hatte, ist eines der bekanntesten Experimente der behavioristischen Psychologie.

Praktische Anwendung der Konditionierung

Daraus folgt: Etwas zunächst Neutrales, wie etwa ein Vorgesetzter oder ein Unternehmen als Arbeitgeber, erhält durch wiederholtes gemeinsames Auftreten mit einem Ereignis, das eine positive Emotion auslöst, ebenfalls positive Emotionen.

Diese Erkenntnisse des Behaviorismus werden bei Mitarbeiter-Incentives und anderen Maßnahmen der Mitarbeiterbindung häufiger außer Acht gelassen als bei Kunden-Incentives. Man kann sich bei den letzteren oftmals des Eindrucks nicht verschließen, dass im Hinblick auf das Branding von Kleidung, Material, Transportfahrzeugen und anderen Gegenständen des Guten zu viel getan wird, um die Kopplung der Verwirklichung von persönlichen Wünschen oder anderer positiver Erlebnisse (Reize) mit dem Namen und dem Logo des Unternehmens voranzutreiben.

Positive Emotionen übertragen

Bei Mitarbeiter-Incentives hingegen werden regelmäßig alle Chancen zur Übertragung positiver Reize achtlos vertan. Dies mag darin begründet sein, dass Kundenbindungsaktivitäten zu den Aufgaben der Marketing- und Vertriebsbereiche zählen. Mitarbeiter-Incentives werden hingegen häufig von den direkten Vorgesetzten initiiert und von Assistenten und Assistentinnen umgesetzt, gegebenenfalls unter Mitwirkung der Personalabteilung bzw. des Firmenreisebüros.

So werden Tank-, Restaurant-, Kino- oder Theatergutscheine verteilt, Incentive-Veranstaltungen durchgeführt, Inhouse-Seminare veranstaltet oder sogar Reisen ermöglicht, bei deren Durchführung das Unternehmen für den incentivierten Mitarbeiter in Vergessenheit gerät. Für die bezüglich Engagement, Leistung und Mitarbeiterbindung förderliche Reizkopplung könnte hier sicher mehr getan werden.

Identifikation steigern

Im Idealfall sorgen positive Erlebnisse in und mit dem Unternehmen dafür, dass Mitarbeiter angesichts des Firmeneingangs, des Logos oder möglichst allein bei dem Gedanken an das Unternehmen große Freude und positive Empfindungen verspüren. Die Reizkopplung mit positiven Erlebnissen ist ein wertvoller Beitrag zur Stärkung der Einsatzfreude, des Engagements, der Identifikation und der Mitarbeiterbindung.

Gelegenheiten bieten sich viele. Alles, was positive Emotionen auslöst, ist geeignet: Seminare, Betriebsfeiern, im Firmenwagen, ja selbst in der Kantine oder (hoffentlich) angesichts der Gehaltsabrechnung entstehen bei dem Mitarbeiter positive Emotionen, die Sie auf das Unternehmen übertragen können.

Um eine unaufdringliche, aber dennoch kontinuierliche Kopplung zu sichern, bedarf es etwas Kreativität und entsprechender Erfahrung. Es macht durchaus Sinn, Materialien und Know-how derjenigen Fachabteilungen anzuzapfen, die für Kunden-Incentives oder beispielsweise auch für Messen verantwortlich zeichnen oder aber sich professionell unterstützen zu lassen.

2b Verhalten und Verstärkung

Doch ist der Mensch lediglich passiver Reiz-Empfänger und Reagierer? Für Burrhus F. Skinner verhält sich der Mensch vielmehr aktiv: Mit seinem Verhalten fordert der Mensch die Umwelt zu Reaktionen auf. Positive und negative Reaktionen der Umwelt, die sogenannten Verstärkungen, sorgen dafür, dass Verhaltensweisen entweder wieder abgelegt oder aber stabil internalisiert, also auf Dauer zu Gewohnheiten gefestigt werden.

In kurzen Worten: Erfolgen auf das Verhalten einer Person stets positive Reaktionen der Menschen aus dessen Umfeld, wird die Verhaltensweise beibehalten. Bei überwiegend negativen Reaktionen hingegen wird das Verhalten abgelegt.

Praktische Anwendung der Verstärkung

Auch dieser Ansatz ist im betrieblichen Kontext von Bedeutung. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Individualebene. Beispiel: Welche Verstärkungen lassen Sie als Führungskraft beispielsweise auf „blaue Montage“ oder allgemein auf Absentismus folgen? Keine, neutrale oder stets konsequent negative?

Viele Führungskräfte nehmen selbst offensichtlich grundlose Krankmeldungen immer nur kommentarlos zur Kenntnis, machen die Faust in der Tasche und ärgern sich enorm über die stets gleichen Pappenheimer. Durch das psychologische Modell von Verhalten und Verstärkung wird klar: Wer dann auch noch „gute Besserung“ wünscht, darf sich nicht wundern, wenn die unliebsamen Verhaltensweisen beibehalten werden.

Gute Besserung?

Beispiel: Das gilt auch für die Arztbesuche mit System. „Ich habe nur für 13 Uhr einen Termin bekommen und es lohnt sich ja nicht, danach wieder ins Büro zu kommen. Also tschüs und bis morgen!“ Oder für die berühmten Krankenscheine mit Ansage: Die Mitarbeiterin Müller möchte unbedingt nächste Woche Urlaub haben, weil die Mutter zu Besuch kommt, aber Sie können ihr diesen aufgrund von Unterbesetzung nicht bewilligen. Wie reagieren Sie, wenn Ihnen dann der gelbe Urlaubsschein ins Haus flattert?

Jeder Führungskraft fallen umgehend zahllose Anlässe ein, bei denen „eigentlich“ sofort eine negative Verstärkung erfolgen sollte. Mancher hofft, dass die Kollegen den Faulpelz schon zurechtweisen werden. Aber nein, nein und nochmals nein: Das ist Ihr Job als Vorgesetzter. Die Kollegen werden ihrerseits sehr interessiert beobachten, wie Sie mit dieser Situation umgehen. Auch wenn Sie selbst der Belastung von vielen weiteren Arbeitsaufgaben ausgesetzt sind, seien Sie konsequent. Erbringen Sie die negative Verstärkung.

Negative Verstärkung

Bitte bleiben Sie hierbei im rechtlich zulässigen Rahmen. Dieser bietet Ihnen ausreichend Möglichkeiten, negative Verstärkung auszuüben. Und vergessen Sie bitte auch nicht die alte Führungsregel: Kritik immer unter vier Augen. Beispiel: Nehmen Sie sich einmal eine halbe Stunde, um Frau Müller nach ihrer angeblichen Krankheit umfassend „über das Wichtigste aus ihrem Arbeitsbereich zu informieren“. Tun Sie das und:

  • Stellen Sie ihr dabei dar, welche Belastung ihre Kollegen und auch Sie hierdurch hatten.
  • Machen Sie klar, dass Ihnen der Zusammenhang zum Besuch der Mutter nicht entgangen ist.
  • Verdeutlichen Sie ihr, welches Bild Sie durch solches Verhalten von ihr gewinnen (als Ich-Botschaft!).
  • Bitten Sie Frau Müller danach, nun unverzüglich wenigstens diejenigen Arbeiten zu erledigen, die in der vergangenen Woche liegengeblieben sind.

In kurzen Worten: Bereiten Sie Frau Müller eine richtig miese halbe Stunde. Sie wird an diese denken, wenn Mama das nächste Mal kommen will. Und auch die Kollegen wissen Bescheid.

Positive Verstärkung

Und welche Reaktion lassen Sie auf gute Leistungen und Ergebnisse folgen? Wirklich immer eine verstärkende? Manche Führungskräfte loben nur die herausragenden Spitzenleistungen und vergessen, die unzähligen kleinen – und in Summe sehr entscheidenden – Performance-Steigerungen der vielen Mitarbeiter im Leistungsmittelfeld angemessen zu verstärken. Gerade das ist jedoch höchst entscheidend für die Steigerung der Mitarbeiterbindung. Denken Sie bitte dabei an Teil 2 der alten Führungsregel: Lob immer vor allen.

Loben Sie konkret, nicht abstrakt. Wenn Ihnen einmal die Fantasie dafür fehlt, was beispielsweise an den von Frau Meier heute erledigten Aufgaben lobenswert sein könnte, gehen Sie zumindest die drei folgenden Dimensionen im Kopf kurz durch:

  • Zeitlich (z. B. schneller fertig oder kürzere Reaktionszeit als sonst)
  • Quantität (z. B. mehr als sonst)
  • Qualität (z. B. besser als sonst)

Wenn nichts davon zutrifft, war es wohl auch keine Performance-Steigerung und damit auch nicht unbedingt lobenswert. Zeigt Frau Meier jedoch immer hohe Leistungen, können Sie ihr das ja auch einmal sagen.

Nutzung der Verstärkung auf Organisationsebene

Werfen wir nun einen Blick auf die aus unserem Wissen über Verstärkungen resultierenden Maßnahmen auf der Unternehmensebene. Zweifellos hat der Betrieb nur einen gewissen Anteil an dem das Verhalten positiv oder negativ verstärkenden Umweltfeedback. Und doch dürfte es nicht allzu selten sein, dass Leistungsträger selbst auf dem Territorium des Betriebs sozial isoliert und von Kollegen sehr unmissverständlich dazu aufgefordert werden, „mal halblang zu machen“ und den niedrigen Leistungs-Durchschnitt, z. B. bestehende Vorgaben im Akkord „nicht kaputtzumachen“.

Leistungsträger im Unternehmen haben eine ähnliche Rolle wie die Streber damals in der Schule. Auch im Betrieb sind es die Potenzial- und Leistungsträger, die entsprechende Systeme zur positiven Verstärkung, zu ihrem Schutz und ihrer Vernetzung sowie besondere Förderung verdienen. Gerade die intensive Bindung der erfolgskritischen Spitzenkräfte ist ein entscheidender Aspekt für die Wettbewerbsfähigkeit nahezu jedes Unternehmens.

Mitarbeiterführung erfordert konsequentes Handeln

Die meisten Unternehmen verfügen bereits über ein ausreichendes Inventar zur positiven und negativen Verstärkung von Verhalten. In der Praxis mangelt es eher an Konsequenz bei der Umsetzung. Häufig unterlassen die Vorgesetzten positive wie negative Verstärkungen, weil sie die Reaktionen der Betroffenen fürchten. Hierfür typische Äußerungen sind: „Wenn ich die Leute lobe, kommen sie gleich mit Gehaltsforderungen!“ oder „Wenn ich Frau Müller eine miese halbe Stunde mache, macht die an diesem Tag gar nichts mehr!“

Wenn solche Sätze fallen, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass sich hier auf den Kopf zu stellen droht, wer wen führt. Ja: Wir Führungskräfte sind von dem Engagement unserer Mitarbeiter abhängig. Das ist der Reiter auch von seinem Pferd. Trotzdem bestimmt er, wann, wie und wohin geritten wird. Nicht der Gaul. Die oben genannten Sätze sind Signale, dass es der Führungskraft an praktischen, alltäglich relevanten Führungskompetenzen mangelt, die dringend nachgeholt werden müssen.

Führung aus einem Guss

Zu Mitarbeiterbindung gehört fraglos auch gute Mitarbeiterführung und eine klare Wertekultur des Unternehmens. Konsequenz ist für beides eine tragende Säule. Also, inventarisieren Sie doch einmal die im Unternehmen verfügbaren positiven und negativen Verstärker und legen Sie – in Abstimmung mit der Unternehmensleitung – in Führungsleitlinien fest, wie deren konsequenter Einsatz erfolgen soll.

Inventar für positive und negative Verstärkung von Verhalten

Welche positiven Verstärkungen sollen künftig konsequent auf gewünschtes Verhalten erfolgen?
a) seitens des Unternehmens
b) seitens der Führungskräfte

Welche negativen Verstärkungen sollen künftig konsequent auf nicht erwünschtes Verhalten erfolgen?
a) seitens des Unternehmens
b) seitens der Führungskräfte

3. „Motive“ im Humanismus: Bedürfnisse

Im Gegensatz zu der behavioristischen Sicht, bei der Verhalten, Reize und Reaktionen im Vordergrund stehen, jedoch die personinternen Prozesse keine allzu große Bedeutung einnehmen, richtet die Humanistische Psychologie den Blick auf die Inhalte der Motive. Hier spielen die Theorie der Motivation und die bekannte Bedürfnishierarchie von Abraham H. Maslow eine bedeutende Rolle. Menschen besitzen nach Maslow eine biologisch begründete innere Bedürfnishierarchie, die weitgehend unabänderlich ist.

Bedürfnishierarchie

Obgleich Maslow sein Hierarchie-Modell kurz vor seinem Tode erweiterte, ist die erste Fassung die bekannteste. In dieser unterscheidet Maslow fünf Bedürfnis-Kategorien, hier in der Hierarchie von unten nach oben.

1. Physiologische Bedürfnisse
2. Sicherheitsbedürfnisse
3. Soziale Bedürfnisse
4. Individualbedürfnisse
5. Selbstverwirklichung

Dabei gilt:

  • Eine Bedürfniskategorie bestimmt in der Reihenfolge der Hierarchie solange primär das Verhalten, bis sie zumindest größtenteils befriedigt ist.
  • Mit zunehmender Befriedigung einer Bedürfniskategorie nimmt die Handlungsrelevanz der folgenden Bedürfnisse zu.
  • Keine Bedürfniskategorie verliert jemals vollständig an Handlungsrelevanz.

Bedürfnisse und Motive

Maslow trifft auch eine Unterscheidung im Hinblick auf den Wert der Bedürfnisse. Seine Bewertung der Bedürfnisse entspricht der umgekehrten Reihenfolge: Selbstverwirklichung stellt demnach die hochwertigste Bedürfniskategorie dar.

  • Die vier erstgenannten Bedürfnisgruppen sind Defizitbedürfnisse (synonym: Mangelbedürfnisse).
  • Allein die Selbstverwirklichung ist ein Wachstumsbedürfnis, welches nie umfassend befriedigt werden kann.
  • Die vier Defizitbedürfnisse müssen erfüllt sein, damit Zufriedenheit entstehen kann.
  • Die Erfüllung der Wachstumsbedürfnisse hingegen ist mit zunehmender Begeisterung für die bestehenden Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung verbunden.

Praktische Anwendung der Bedürfnishierarchie

Gerade die vier letzten Charakteristika des Modells sind von enormer Bedeutung für die Ausprägung von Engagement, Performance und Mitarbeiterbindung. Wir können diese durch entsprechende Gestaltung der Arbeitsinhalte und des Arbeitsumfeldes erzielen können. Hierzu ziehen wir ergänzend das Modell von Frederick Herzberg hinzu.

Nach Herzberg erzielen die – gemäß Maslows Werte-Ranking – unteren drei Bedürfniskategorien bei Erfüllung lediglich keine Unzufriedenheit. Das ist nicht dasselbe wie Zufriedenheit. Der Zustand der Zufriedenheit mit dem Arbeitskontext kann laut Herzberg nur durch Maßnahmen im Bereich der oberen Hierarchiekategorie erreicht werden – wobei die ausreichende Saturierung der unteren Bedürfniskategorien zwingend vorausgesetzt wird.

Mitarbeiterzufriedenheit und -begeisterung

Alle erdenklichen Maßnahmen, die wir als Führungskraft auf Individualebene und als Unternehmensleitung auf der Organisationsebene ergreifen können, sollten wir zunächst danach bewerten, was ihre Umsetzung zu leisten in der Lage ist. Kann sie negative emotionale Mitarbeiterbindung und Unzufriedenheit verringern? Unzufriedenheit leistet der Unengagiertheit, der Fluktuationsneigung und dem Absentismus des Mitarbeiters unmittelbar Vortrieb.

Beispiel: Unbequeme Stühle, langsame Computer und fleckige Teppiche. Ein Mitarbeiter hält sich mehrere Stunden am Tag an seinem Arbeitsplatz auf. Beseitigen Sie schon dort potenzielle Ursachen für Unzufriedenheit: Stellen Sie Grünpflanzen oder dekorative Kunstpflanzen zur Verfügung. Lassen Sie Ihrem Personal ausreichend Raum für individuelle Gegenstände. Sorgen Sie für ergonomische Stühle und Schreibtische in zeitgemäßen Formen und Farben. Sofern Sie selbst kreativ weitere Ideen für sinnvolle Maßnahmen entwickeln möchten, stellen Sie sich bitte dabei zwei Fragen:

  • Mit welchen Maßnahmen kann ich Zufriedenheit erzeugen?
  • Mit welchen Aktivitäten kann ich es schaffen, das Feuer der Begeisterung zu entzünden und damit hohes Engagement plus langfristige Verbleibsabsichten zu begründen?

Bedürfnisorientierte Maßnahmen

Mit der Bedürfnishierarchie wird uns ein Muster an die Hand gegeben, nach dem wir die Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung von Engagement, Performance und Mitarbeiterbindung priorisieren können. Bewerten Sie dafür die von Ihnen ins Auge gefassten Maßnahmen bezüglich der Auswirkung im Hinblick auf die Senkung der Fluktuationsneigung, die Steigerung der Identifikation und bezüglich der Wirkung als Leistungsanreiz.

Uns wird deutlich vor Augen geführt, warum wir beispielsweise mit Job Enrichment oder Zusatzqualifikationen nicht bei Mitarbeitern punkten können, deren Gehaltsniveau knapp über dem Existenzminimum liegt. Die Erfahrung lehrt, dass niedrig entlohnte Kräfte solche Personalentwicklungsmaßnahmen tendenziell eher als Belastung empfinden und lediglich die damit möglicherweise verbundene Gehaltsauswirkung begrüßen.

4. Kognitive Theorien: Motive

Mit den soeben erwähnten Erwartungen ist eine Komponente angesprochen, die nicht originär in Maslows Modell enthalten ist. Die Verhaltensrelevanz der Erwartungen über

  1. die Höhe bzw.
  2. den Wert der Bedürfnisbefriedigung und auch über
  3. die Erfolgswahrscheinlichkeit von Handlungen

sind Bestandteile der kognitiven Prozesstheorien der Motivation. Mit diesen hielt die Berücksichtigung der Kognitionen Einzug in die Motivationsforschung. Grundannahme ist, dass Menschen bei Vorliegen mehrerer Handlungsalternativen diejenige Verhaltensweise verfolgen, die den höchsten Erwartungswert aufweist.

Motive und Motivziele

Dieses erste Prozessmodell wurde über die Jahre hinweg mehrfach modifiziert. Dabei wurde auch die unhaltbare Rationalitätsannahme gekippt, da, wie wir wissen, Entscheidungen so gut wie nie allein auf der rationalen Ebene getroffen werden.

Eine Verfeinerung dieses Modells stellt unter anderem die Entdeckung dar, dass jedes Motiv zwei Motivziele enthält. Mit jedem Motiv verbindet sich sowohl eine meidende als auch eine aufsuchende Komponente, das sogenannte Motivziel:

  • Meidende Komponente: Reduzieren eines unangenehmen Zustands
  • Aufsuchende Komponente: Schaffen eines angenehmen Zustands

So enthält das Anschlussmotiv aus dem Beispiel, bei dem Paul einen Besuch von Freunden vorbereitet, die Motivziele „Hoffnung auf Anschluss“ sowie „Furcht vor Zurückweisung“. Beide Seiten tragen stets zur Entscheidungsfindung und Verhaltensmotivation bei. Sie erinnern sich: Die aufsuchende Seite lies Paul auf einen tollen Abend mit vielen intensiven Kontakten hoffen, die meidende lies Paul fürchten, nach kurzer Zeit alleine auf dem Sofa zu sitzen. Was uns Menschen unterscheidet, ist die individuelle Ausprägung der Kognitionen, der Motive und natürlich auch der Motivziele.

Individuelle Motive und Motivziele

An den Regalen des Getränkemarkts muss Paul dann später eine Entscheidung treffen, welche Getränke er kauft. Da können wir weitere Motivziele bei der Arbeit sehen, beispielsweise das Erfolgsmotiv: Mancher wählt die Getränke eher geleitet durch das Ziel aus, Misserfolge zu vermeiden: „Bloß nichts Falsches einpacken!“ Andere Menschen werden tendenziell durch die aufsuchende Motivkomponente beeinflusst, die auf Erfolg abzielt: „Getränke kaufen, die richtig gut ankommen!“

Die Motivziele werden tagtäglich hundert- oder gar tausendfach wirksam. Denn jedem Verhalten geht eine Entscheidung voraus, den kleinen ebenso wie den großen: Mach ich’s oder mach ich’s nicht? Wenn ja, wie mach ich’s? Das betrifft auch Kündigungs- bzw. Verbleibsentscheidungen. Beispiel: Der eher erfolgsorientierte Mitarbeiter lässt sich durch die Chancen leiten, die ihm ein Job in einer anderen Firma bietet, der misserfolgsängstliche fürchtet die Risiken. Der Erfolgsorientierte wägt dagegen die Chancen ab, die sich mit dem Verbleib in Ihrem Unternehmen verbinden, der Misserfolgsängstliche orientiert sich daran, mit welchen Risiken es verbunden ist, wenn er weiter hier bleibt.

Beruflich relevante Motive

Die am besten erforschten Motive sind zugleich die für das Arbeitsleben bedeutsamsten, hier mit den jeweiligen Motivzielen dahinter in Klammern:

  • Erfolgsmotiv (Hoffnung auf Erfolg / Furcht vor Misserfolg)
  • Anschlussmotiv (Hoffnung auf Anschluss / Furcht vor Zurückweisung)
  • Machtmotiv (Hoffnung auf Kontrolle / Furcht vor Kontrollverlust)

Psychologen bezeichnen die Endpunkte solcher Konstrukte als Extrema. Kaum ein Mensch verkörpert ein Extremum, z. B. „misserfolgsängstlich“ oder das gegenüberliegende Extremum „erfolgsorientiert“, zu 100 Prozent. Wir liegen alle irgendwo dazwischen, vielleicht bei 20/80, bei 70/30 oder in der Mitte bei 50/50.

Misserfolgsängstlich zum Erfolg

Es ist für uns noch wichtig zu wissen, dass bei dem Erfolgsmotiv angesichts der jeweiligen, individuellen Motivziel-Mixtur keine Aussage über das Verhaltensergebnis getroffen werden kann: Ein hoch misserfolgsängstlicher Mensch kann genauso leistungsfähig und erfolgreich sein wie ein hoch erfolgsorientierter.

Die beiden gehen als Getränkemarktkunden möglicherweise mit den gleichen Getränken heim und auch bezüglich des Verbleibs im Unternehmen könnten der Misserfolgsängstliche und der Erfolgsorientierte zum gleichen Schluss kommen. Schauen wir uns an, was diese Erkenntnisse für unsere Führungspraxis bedeuten.

Praktische Anwendung der Kognitiven Theorien

Auf die jeweils individuellen Motive und die Motivziele, die zu den stabilen Persönlichkeitseigenschaften (Dispositionen) zählen, hat weder die Unternehmensleitung, noch die Personalabteilung, noch der direkte Vorgesetzte einen Einfluss. Langfristig können wir eine Veränderung der Motivkonstellation auf Unternehmensebene erzielen, indem wir bei der Personalauswahl ein erhöhtes Augenmerk auf die handlungsleitenden Motive legen. Doch kurzfristig haben wir diese mehr oder minder als gegeben zu akzeptieren.

In einem durchschnittlichen Unternehmen sind auch die Erfolgsorientierten und Misserfolgsängstlichen, die Anschlusssuchenden und Zurückweisungsängstlichen, sowie die Machtstrebenden und Kontrollverlustängstlichen „normalverteilt“. Wenn Sie es für Ihr Unternehmen genau wissen wollen, können Sie im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung unter der Headline „Arbeitsklima“ sicher auch ein paar geeignete Fragen zu Motiven, Motivzielen und zur Motivation integrieren.

Motivziel: Chancen suchen oder Risiken meiden?

Ganz generell gesprochen hat die jeweilige Furchtseite des Motivs das Bedürfnis nach Sicherheit bzw. Risikobegrenzung, während sich die Hoffnungsseite darauf richtet, ob und welche Chancen sich bieten. Sofern wir bei der gesamten Belegschaft für eine Steigerung von Engagement, Performance und Identifikation sorgen möchten, müssen wir motivorientierte Maßnahmen ergreifen.

Welche Maßnahmen bei welcher Motiv-Lage?

  • Bieten Sie den Erfolgsorientierten ausreichend Chancen, bei denen diese ihre Fähigkeiten innerhalb des Unternehmens unter Beweis stellen können.
  • Begrenzen Sie für Misserfolgsängstliche die mit Performance verbundenen Risiken, indem Sie z. B. die negativen Konsequenzen nicht erreichter Ziele limitieren.
  • Bieten Sie den Anschlusssuchenden die Möglichkeit zu vielen und häufigen sozialen Kontakten, z. B. in Form von Teamwork oder durch Steigerung ihrer Bekanntheit im Unternehmen.
  • Betrauen Sie die Zurückweisungsängstlichen mit Aufgaben, die sie alleine bearbeiten können und schaffen Sie Arbeitsumfelder, die Rückzugsmöglichkeiten für störungsfreies Arbeiten gewähren.
  • Eröffnen Sie den Machtstrebenden die entsprechenden Karrierepfade und Verantwortungszuwächse im Unternehmen.
  • Versorgen Sie die Kontrollverlustängstlichen mit den nötigen Instrumenten zur umfassenden Steuerung und Kontrolle.

Motive erklären das Verhalten der Mitarbeiter

Die Kenntnis der Motive verschafft uns ein Verständnis dafür, warum manche – zum Beispiel die Zurückweisungsängstlichen – den Betriebsfeiern stets möglichst fernzubleiben versuchen. Als „schüchtern“ werden sie häufig bezeichnet. Es sind die gleichen, deren Äußerungen in Teamprojekten trotz hoher Kompetenz oftmals völlig untergehen. Und uns ist klar, warum häufig die Ideen der Machtmotivierten am Ende von der Gruppe umgesetzt werden, auch wenn sie gar nicht die besten waren.

Wir erkennen, dass sich manche Chefs nur deshalb stundenlang im stillen Kämmerlein mit Tabellen und Kennzahlenverläufen beschäftigen, weil sie Kontrollverlust fürchten. Wir Führungskräfte verstehen, warum sich Misserfolgsängstliche bei der Zielvereinbarung, selbst wenn diese nicht an Boni gekoppelt ist, nie auch nur halbwegs herausfordernde Ziele setzen.

Motiv-orientierte Maßnahmen auf Individualebene

Auch oder vielleicht gerade aus der Perspektive des Vorgesetzten lohnt sich ein intensiver Blick auf die Motive jedes Einzelnen. Nutzen Sie eine Motiv-Liste Ihrer Wahl und notieren Sie einmal für sich, welcher Ihrer Mitarbeiter in seinen Verhaltensweisen wohl wie stark durch welches Motiv bestimmt ist. Beobachten Sie das Verhalten Ihrer Mitarbeiter, untersuchen Sie vom Mitarbeiter getroffene Entscheidungen auf zugrunde liegende Motive und Motivziele. Keiner ist so „nah dran“ wie Sie.

Gleichen Sie Ihre Vermutungen in der nächsten Zeit einmal mit der Sicht ihrer Mitarbeiter ab. Nutzen Sie die lockere Atmosphäre von Feiern oder Teamevents für Fragen. Umschreiben Sie, was Sie in Erfahrung bringen möchten, und meiden Sie dabei psychologische Fachbegriffe wie „Motiv“ und „Bedürfnis“. Eine mögliche Motiv-Liste sind die 16 Lebensmotive von Steven Reiss, die es mittlerweile zu großer Popularität gebracht haben.

Die 16 Lebensmotive nach Steven Reiss

1. Macht (Streben nach Führung und Verantwortung)
2. Unabhängigkeit (Streben nach Autonomie und Freiheit)
3. Neugier (Streben nach Wissen und Kenntnissen)
4. Anerkennung (Streben nach sozialer Akzeptanz und positivem Selbstwert)
5. Ordnung (Streben nach Strukturiertheit)
6. Sparen/Sammeln (Streben nach Besitz materieller Güter)
7. Ehre (Streben nach Prinzipientreue und charakterlicher Integrität)
8. Idealismus (Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Fairness)
9. Beziehungen (Streben nach hoher Quantität sozialer Kontakte)
10. Familie (Streben nach eigenen Kindern, Fürsorglichkeit)
11. Status (Streben nach Reichtum, sozialer Status)
12. Rache/Kampf (Streben nach Konkurrenz, Aggression, Vergeltung)
13. Eros (Streben nach Sinnlichkeit, Sexualität und Schönheit)
14. Essen (Streben nach kulinarischem Genuss)
15. Körperliche Aktivität (Streben nach Sport und Bewegung)
16. Emotionale Ruhe (Streben nach Stabilität emotionaler Verhältnisse)

Zweifellos sind die Lebensmotive nach Steven Reiss nicht wirklich alle als voneinander unabhängige Motive zu bezeichnen. Doch viele Chefs schätzen den Erkenntnisgewinn. Wir Führungskräfte erhöhen unsere Führungswirksamkeit enorm, indem wir uns damit befassen, bei welchem Mitarbeiter welche der 16 Motive zutreffen.

Motiv-orientierte Mitarbeiterführung

Als Vorgesetzter, der die Motive seiner Mitarbeiter kennt, treffen Sie Ihre Entscheidungen über Arbeitsgebiete, mögliche Karrierepfade und von Ihnen zu delegierende Aufgaben bewusster. Beispiel: Stellen Sie sich einen Mitarbeiter im Verkauf vor, der furchtbar gerne Kunden bedient und seine Arbeitsfreude vornehmlich aus der Befriedigung des Anschlussmotivs zieht. Es wäre völlig unangebracht, dessen Engagement und dessen Identifikation mit dem Unternehmen dadurch verstärken zu wollen, dass man ihn zum Leiter einer Filiale ernennt.

Indem Sie sich als Vorgesetzter bei Delegationsentscheidungen nicht nur fragen, ob der Mitarbeiter die Aufgabe bewältigen könnte, sondern auch, ob Sie Ihren Mitarbeitern die Befriedigung ihrer jeweils individuell bedeutsamen Motive und Bedürfnisse ermöglichen, legen Sie die Basis für hohes Engagement, hohe Leistung und niedrige Fluktuationsneigung.

Das Streben nach Sinn

Die meisten Menschen sind nach einiger Zeit unzufrieden, wenn sie eine Tätigkeit ausführen müssen, in der sie keinen Sinn sehen. Dafür könnte das Anschlussmotiv verantwortlich sein, das uns einen anerkannten Platz in der Gemeinschaft suchen lässt. Aber auch das Machtmotiv, das Erfolgsmotiv oder viele der „Lebensmotive“ von Reiss könnten eine Rolle spielen. Menschen entwickeln aus den verschiedensten Motiven heraus das Bedürfnis nach einer sinnvollen Aufgabe.

Wir erreichen mit Sinn offenbar die verschiedensten Motive – und damit auch die unterschiedlichsten Mitarbeitertypen. Liegt im Sinn ein neuer, wertvoller Schlüssel zur Bindung von Mitarbeitern? Vieles kann Sinn machen: ein Verhalten, eine erhaltene Aufgabe, ein Projekt, ein Beruf, eine Stelle, eine Unternehmensfunktion, ein Unternehmen…

Sinn, Werte und Ziele

Sinn ist zweifellos für jeden Menschen etwas anderes. Hatte beispielsweise der Zweite Weltkrieg Sinn? Die meisten werden ihn als sinnlos bezeichnen, wie fast alle Kriege. Doch für manche hat es unverkennbar Sinn gemacht, diesen Krieg anzuzetteln. Dieses Beispiel zeigt: Ob etwas für einen Menschen persönlich einen Sinn ergibt oder nicht, hängt von seinen Werten und Zielen ab. Stimmt es mit diesen überein, macht es Sinn.

Es sind die Werte und Ziele, die die Verbindung von Sinn zur emotionalen Mitarbeiterbindung und der individuellen Leistungsbereitschaft herstellen: Sinn ist nichts anderes als eine Bewertung von Handlungen, Arbeitsinhalten, Unternehmen usf. unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung von Werten und Zielen.

Sinn vermitteln

Sinn kann man also nur erkennen, sofern man diese Bewertung vollzieht. Die spannende Frage für uns Führungskräfte: Tun das alle unsere Mitarbeiter? Vielleicht können wir allein dadurch enorm zur Stärkung der Mitarbeiterbindung und zur Steigerung der Performance auf der individuellen Ebene beitragen, indem wir unseren Mitarbeitern den Sinn verdeutlichen, der durch ihre Tätigkeit im Hinblick auf die gemeinsamen Werte und Ziele entsteht? Beispiel: „Du verlegst keine Telefonkabel – du verbindest Menschen.“

Bei diesen Führungsaufgaben nutzen Sie die Kenntnis der individuellen Motive Ihrer Mitarbeiter

  • Verteilung der regelmäßigen Arbeitsaufgaben
  • Übertragung von Sonderaufgaben und Projekten
  • Gestaltung des Arbeitsumfelds
  • Zusammensetzung von Teams
  • Übertragung von Verantwortung für vereinbarte Ziele
  • Auswahlentscheidungen, Laufbahnentscheidungen
  • Karrieregespräche und Entwicklungsplanung
  • Personalentwicklung und Weiterbildung
  • Anreiz, Motivierung, Ausdruck der Anerkennung
  • Verdeutlichen bzw. Erzeugen der Erkenntnis, etwas Sinnvolles zu tun

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal den Ablauf von dem bestehenden Motiv über aktuelle Bedürfnisse bis hin zur Handlung. Im gesamten Prozessverlauf empfinden wir glückliche und lustvolle Emotionen: Angefangen bei der Vorfreude auf die bedürfnisbefriedigende Handlung, im Verlaufe der Handlung selbst und zuletzt, wenn das Verhalten zur Befriedigung der Bedürfnisse geführt hat.

Emotionsorientierte Maßnahmen

Wir sprechen je nach Ausprägungsgrad der Emotionen von Zufriedenheit oder sogar von Begeisterung. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Emotionen auf der einen und des Engagements sowie der Identifikation auf der anderen Seite lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Unzufriedenheit senkt Verbleibsabsicht und Engagement
  • Zufriedenheit verändert nicht Verbleibsabsicht und Engagement
  • Begeisterung steigert Verbleibsabsicht und Engagement

Auf der Ebene der Organisation gilt analog: Je höher die Begeisterung der Belegschaft, desto geringer die Fluktuation, desto höher die Identifikation mit dem Unternehmen, desto höher die Unternehmens-Performance.

Auf Zufriedenheit folgt immer ein „mit“, auf Begeisterung immer ein „für“. Bedeutsamkeit für unsere Bestrebungen mit Blick auf Engagement, Performance und Verbleib im Unternehmen erlangen die beiden Emotionen dann, wenn sie sich auf das Unternehmen, seine direkten Repräsentanten, das Team bzw. Arbeitsumfeld oder die Aufgaben richten.

Auch der umgekehrte Fall, nämlich Frustration der Bedürfnisse bzw. Nichterreichen von Bedürfnisbefriedigung, wird von Emotionen begleitet. Die erlebte Unzufriedenheit ist ebenfalls stets gerichtet. Es bedarf unserer Bewertung, damit wir entscheiden können, ob wir den Zusammenhang akzeptieren oder nicht – so, wie wir es auch bei positiven und negativen Verstärkungen tun.

Unzufriedenheit bewerten

Beispiel: Hohe Leistung und Einsatz für das Unternehmen sollten doch bitte nicht in Unzufriedenheit münden. Führungskräfte tun gut daran, dies zu vermeiden. Dies ist sicher ganz anders zu bewerten, wenn die Unzufriedenheit eines Mitarbeiters daraus resultiert, dass er unglücklicherweise ständig dabei erwischt wird, dass er blau macht, bei Reisekostenabrechnungen schummelt oder gute Kunden verprellt.

5. Volition

Neben die Motivationspsychologie ist in den letzten Jahrzehnten die Volitionspsychologie getreten. Sie erklärt mit dem Konzept der Volition, alltagssprachlich mit „Willenskraft“ bezeichnet, ein Verhalten, das auf den ersten Blick den eigenen Motiven und Bedürfnissen entgegenzustehen erscheint.

Beispiel für eine Motiv-Verhalten-Kette, Version B

Wir nehmen eine Situation wie in dem anfänglich dargestellten Beispiel Version A an, in der Paul abends den Besuch von Freunden erwartet. Doch Paul verhält sich offensichtlich entgegen der Bedürfnisse seines Anschlussmotivs: Statt Pils und Likör kauft Paul die verschiedensten frischen Früchte und eine weitere Saftpresse. Denn es ist sein Ziel, den Freunden zu beweisen, dass man auch ohne Alkohol viel Spaß und einen grandiosen Abend haben kann.

Die Volitionspsychologie ergänzt die Motivationskonzepte um einen weiteren Begriff: Das Ziel. Volition bezeichnet das Verfolgen von Zielen, auch gegen Hindernisse, Widerstände, Rückschläge und Schwierigkeiten wie beispielsweise entgegenstehende Motive, Bedürfnisse, Kognitionen und Emotionen oder hohe Unsicherheiten.

Mit Willenskraft zum Ziel

Solche widrigen Faktoren können, wie wir alle aus der Erfahrung wissen, sowohl andere Personen als auch die handelnde Person selbst betreffen – wie Paul in obigem Beispiel. Denn wir können uns die Reaktionen seiner Freunde ausmalen, wenn sie der Saftpressen statt der erwarteten Bierfässchen auf der Theke der Hausbar ansichtig werden. Dann wird Paul verdammt breite Schultern brauchen.

Dieses Durchsetzungsvermögen, diese Willenskraft, diese intensive Zielorientierung zeichnet Menschen mit hoher Volition aus. Vor allem Führungskräfte bedürfen hoher Volition, sie müssen im übertragenen Sinne manche Saftpresse bei ihren Mitarbeitern durch- und umsetzen.

Beispiel für eine Motiv-Verhalten-Kette, Version C

Situation wie in Beispiel A, doch Paul zieht angesichts des starken Regens seine Jacke wieder aus und befindet, die zwei Fässchen Kölsch und die Vorräte aus der Hausbar sollten ausreichen.

In Version C verfügt Paul offensichtlich nicht über ausreichend Willenskraft, um die zunächst geplante Handlung umzusetzen. Volition wird daher auch als Umsetzungskompetenz bezeichnet. Sie ist ein Bündel aus Einzelkompetenzen, mit dessen Hilfe Menschen „zum Ziel kommen“, also Erfolge und Ergebnisse erreichen.

Teilkompetenzen der Volition

  • Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung auf das Ziel
  • Emotions- und Stimmungsmanagement bei sich selbst und anderen Personen
  • Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke
  • Vorausschauende Planung und proaktive Problemlösung
  • Zielbezogene Selbstdisziplin, Widerstandsfähigkeit gegen Ablenkungen oder Verlockungen

Wir alle wissen aus Erfahrung, dass die Motivation, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, nicht immer ausreicht, um ein hierauf ausgerichtetes Verhalten an den Tag zu legen – geschweige denn, um das angestrebte Ziel zu realisieren. Wie viele Menschen verfügen über große Motivation, mit Sport etwas für ihre Gesundheit und ihre Figur zu tun? Doch Motivation allein reicht nicht, wir müssen auch die „Trägheit der eigenen Masse“ bzw. „den inneren Schweinehund“ überwinden.

Volition sichert Zielerreichung

Dafür ist das erforderlich, was Psychologen als Volition bezeichnen: Eine Umsetzungskompetenz, die uns entsprechende Handlungen ermöglicht, wie etwa die Planung von alternativen Lösungswegen, die konsequente Wiederaufnahme von zielorientierten Handlungen nach Unterbrechungen, die Steigerung der Anstrengungen bei Widrigkeiten etc. Bei der Volition zentral ist die Selbstmotivation, das Verfolgen der Ziele aus eigenem Antrieb heraus.

Motivation und Volition ergänzen sich (Rubikon-Modell): Während Motive uns bei der Entscheidung leiten, welches Ziel wir verfolgen möchten, sorgt die Volition dafür, dass wir es trotz aller Hürden und Hindernisse erreichen. Motivation ist u. a. für die Wahl und Generierung von Zielen bedeutsam, Volition hingegen für das Planen und Umsetzen.

Volition fördern

Während auf individueller Ebene die Motive stets vorhanden sind und damit auch Motivation (zu was auch immer), ist Volition bei uns Menschen nicht grundsätzlich vorhanden. Manche Menschen haben generell wenig Volition. Sie kommen nicht in Gang, geben schnell wieder auf und verfallen in Hilflosigkeit: „Chef, wie soll ich das denn machen?“ Andere hingegen verfügen über ein großes Reservoir. Sie gehen Herausforderungen ebenso mutig wie unverzüglich an und finden darüber hinaus bei Problemen geschickt Lösungen und Wege, um ihre Ziele zu realisieren.

Diejenigen Menschen, die im Arbeitsleben nur eine geringe Volition aufweisen, sind also nicht „weniger motiviert“. Sie benötigen jedoch zumeist eine engere Begleitung durch die Führungskraft und externe Anreize, sei es zu bestimmten Verhalten oder zu individueller Performance, die sich ihrer persönlichen Motive und Bedürfnisse bedient. Diese haben wir in Zusammenhang mit dem Behaviorismus (Reiz-Kopplung und Verstärkung) und mit dem Humanismus (Bedürfnishierarchie) bereits kennengelernt.

Praktische Anwendung der Volitionspsychologie

Wenn Sie die Steigerung von Engagement, Performance, Identifikation und Mitarbeiterbindung beabsichtigen, bieten sich langfristig wirksame Möglichkeiten in den folgenden Bereichen:

1. Personalmarketing
2. Personalauswahl
3. Personalentwicklung

Bei Personalmarketing und Personalauswahl haben Sie zunächst festzulegen, welche Motivkonstellation Sie auf Unternehmensebene anstreben. Dies ist von Ihrem jeweiligen Geschäft, Ihren Kunden, Ihrer Unternehmenskultur und Ihren Strategien abhängig, sodass hier keine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Neben dieser Person-Organisation-Passung (engl. Person-Organisation Fit, kurz P-O Fit) muss das Motivprofil des künftigen Stelleninhabers auch zu den Aufgaben, Verantwortungsbereichen und Zielen der Stelle (engl. Person-Job Fit, kurz P-J Fit) passen.

Wenn Sie beispielsweise zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie für eine bestimmte Position einen hoch erfolgsmotivierten Mitarbeiter suchen, dann sollten Sie in der Stellenanzeige tunlichst vermeiden, die Sicherheitsaspekte zu betonen. Dies spült Ihnen nur Bewerbungen von Misserfolgsängstlichen ins Haus. Machen Sie Ihrer Zielgruppe den Job lieber unter Hinweis auf die anstehenden Herausforderungen und die sich bietenden Chancen schmackhaft.

Volitionsorientiertes Personalmarketing

Im Hinblick auf die Volition hingegen liegt die Empfehlung auf der Hand: Hoher Volitionsgrad Ihrer Mitarbeiterschaft sichert die kraftvolle Umsetzung der Aufgaben und Projekte, das Erreichen der individuellen Business Ziele und damit auch die Realisation der Unternehmensziele.

Wenn Sie volitionsstarke Bewerber anziehen möchten, lassen Sie Andeutungen auf den erforderlichen Sprung ins kalte Wasser und zu erwartende Widerstände in die Texte einfließen. Sie werden zwar manchen abschrecken oder mit Sicherheit weniger Bewerbungen bekommen, aber dafür genau von denjenigen Personen, mit denen Sie die Stelle auch besetzen möchten.

Beispiel: Polarforscher Ernest H. Shackleton soll Anfang des vergangenen Jahrhunderts in englischen Zeitungen mit folgendem Stelleninserat die Crewmitglieder für seine Antarktis-Expeditionen angeworben haben: „Men wanted – for hazardous journey, small wages, bitter cold, long months of complete darkness, constant danger, safe return doubtful, honor and recognition in case of success.“ Nach seinen eigenen Angaben hat er 5.000 Bewerbungen willensstarker Männer und Frauen erhalten.

Motivorientiertes Personalmarketing

Wenn Sie wissen, dass Ihr Unternehmen eine im Vergleich zu Arbeitsmarkt-Wettbewerbern keine besonders günstige rationale Kosten-Nutzen-Bilanz aufweist, sollten Sie vor allem vermeiden, Ihr Personalmarketing auf den rational geprägten Mitarbeitertyp auszurichten. Den können Sie auf lange Sicht ohnehin nicht halten. „Sie bringen mit …/Wir bieten …“ wäre in diesem Fall sicher bereits die falsche Formulierung in einer Stellenanzeige.

Betonen Sie lieber die Faktoren, die dem emotionalen Mitarbeitertyp wie Musik in den Ohren klingen. Gehen Sie dabei ruhig kreative, ungewohnte Wege. Werfen Sie zur Inspiration einen Blick auf die Claims der Autobauer: BMW betont die emotionale „Freude am Fahren“. Mercedes Benz sprach in den 90ern die Sicherheitsmotivierten mit „Ihr guter Stern auf allen Straßen“ an. Dieses Vorgehen lässt sich auch auf Ihr Personalmarketing übertragen.

Volitionsorientierte Unternehmens- und Personalentwicklung

Wenn Ihnen daran gelegen ist, die volitionsorientierte Unternehmenskultur insgesamt zu fördern, sollten Sie entsprechende Maßnahmen der Unternehmens- und Personalentwicklung ergreifen. Es empfiehlt sich, diese durch entsprechend ausgerichtete Teamtrainings und Einzel-Coachings begleiten zu lassen. Volition ist zweifellos nicht nur im Berufsleben nützlich. Dennoch oder gerade deswegen ist bei der Auswahl des Dienstleisters darauf zu achten, dass der Trainer den Veranstaltungen keinen psychologisch-therapeutischen oder lebensberatenden Anstrich verleiht, sondern klar auf den beruflichen Einsatz der Volition ausrichtet.

Bei diesen ressourcenorientierten Trainings werden die Teilkompetenzen und die Volition der Mitarbeiter insgesamt gezielt gefördert. Dabei werden handlungsorientierte Module eingesetzt, die positive Erfahrungen ermöglichen. Hiermit wird die Volition und zugleich die Mitarbeiterbindung gestärkt: Nicht umsonst gehört zur Volition auch der Wille, sich trotz widriger Bedingungen durchzubeißen und auch im Unternehmen zu bleiben, wenn es mal schwierig wird.

Volition bedeutsam

Volition inkludiert Fokussierung, Widerstandsfähigkeit gegen Verlockungen und Resistenz im Hinblick auf Kurzschlusshandlungen. So manche Kündigung beruht auf diesen Faktoren. Mit der Verbesserung der Volition auf Belegschaftsebene sorgen Sie für deren Reduzierung, senken die Rate der ungewollten Fluktuation und fördern obendrein eine der entscheidenden Schlüsselkompetenzen für das Erreichen von individuellen Zielen bzw. Unternehmenszielen.

Motive, Motivation und Volition: Nützliche Links

Wenn Sie sich mit einem Experten über Motivation und Volition austauschen möchten, nehmen Sie bitte einfach Kontakt zu uns auf.

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Führungspsychologie: Motiv, Motivation und Volition